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Der Baum ist eine Metapher für das Leben und den Lebensweg des Menschen. In ihm wird unsere eigene
Lebenslinie sichtbar und die Art, wie wir in unserer Zeit und in unserer Welt einen Raum
einnehmen. Sein Wuchs ist im Winter in der Form seines Gerippes, seines Skelettes
anschaulich. Die Fülle der sommerlichen Blätter verhüllen dieses verborgene Gerüst des
Lebensweges unter einem weiten Kleid voller Säfte und einem den Wellen des Meeres
gleichen Rauschen. Dagegen geht der Blick im Winter auf das Innere Gerüst, auf die Wege
des Wachstums, auf die Lebensadern, die Verknorrungen der Äste, auf die Widerstände, die
dem Wachsen einen Kampf abverlangen, den Siegen und Verlusten ingesamt aber auf ein Bild
für die Durchströmung des Raumes, den der Baum einnimmt gleichsam mit den
Herzkranzgefässen seiner Äste und Zweige. So
auch in Momenten des zurückgezogenen Menschen, des Menschen, der sich aus dem Rausch der
Fülle äusserlichen Lebens in die winterliche Einsamkeit zurückzieht. Die Säfte des
sommerlichen Lebens der Fülle haben sich dann in den Schutz des harten Stammes und in die
Starrheit und manchmal fast fratzenartige Gestik der Aeste, aber auch in die im Boden
verborgenen Wurzeln zurückgezogen.
Das Immergrüne des Christbaumes, gegenüber den saisonalen
Kleiderwechseln der Laubbäume: Es frage sich jeder, ob er eher ein Laubbbaum sei, d. h.in
seinen Lebensphasen abhängig von den saisonalen Umständen der Zeit, oder eine Tanne, die
in allen Situationen ihr Kleid behält und nie schutzlos wird. In Caspar David Friedrichs
Bildern umstehen oft Tannen die Kreuze.
Der Grundcharakter der Tanne ist ihr gerader und von der
strengen Vertikale des Stamm beherrschter Wuchs. Alles bleibt bezogen auf die senkrechte
Gerade, die vom Boden in den Himmel zeigt. Der Stamm ist der Nabel, um den sich alles
weitere Wachsen dreht. Die Äste sind klar zu unterscheiden vom Stamm. Sie sind ihm
hierarchisch untergeordnet und wachsen radial vom Stamm weg, horizontal. Die ersten,
ältesten Äste bleiben unten. Sie vermögen nicht die Bewegung des Stammes zu übernehmen
und auch in die Höhe zu wachsen, oft sind sie sogar nach unten gebogen, vom Gewicht ihres
ausladenden Wuchses. Das Wachstum geschieht in strengen Stufen. Die Übergänge zwischen
Stamm und Ast sind eindeutig. Die Übergänge von den benadelten Ästchen zum Ast auch.
Niemals kann bei der Tanne aus einem Ast ein Stamm hervorgehen. Wird eine Tanne vom Blitz
getroffen oder vom Wind geknickt, dann kann der Stamm nicht mehr ersetzt werden. Kein Ast
nicht einmal der stärkste Ast kann wieder Stamm werden, weil er immer durch sein
horizontales Herausragen als Ast erkenntlich bleibt. Der neue Stamm treibt als Ast aus dem
Stamm aus. Meist aber treiben gleich mehrere Äste aus dem geknickten Stamm aus, die
wieder Stämme sein möchten. Die Spitze einer geknickten Tanne gleicht deshalb oft einem
Besen. Dass die Tanne als christliches Symbol gilt, hat nicht nur mit ihrem immergrünen
Kleid zu tun, sondern auch damit, dass durch die Formel: "Vertikaler Stamm und
waagrechte Äste" sich manchmal zu oberst auf der Spitze einer Tanne ein gut
sichtbares Kreuz ausbildet, wie auf einer Kirchturmspitze. Es gibt keine Metapher die
nicht das, wofür sie steht, schon auch ist. Tanne ist auch: Dreieckige, konische Gestalt
eines Pfeiles der nach oben zeigt. Bei der intakten Tanne ist ihr höchster Punkt immer
eindeutig die Spitze des Stammes. Motivisch kehrt die strenge symmetrische
Wachstumsstruktur der Tanne wieder im Bild der steil aufragenden gotischen Kirchtürme und
auch in den Masten der Schiffe.
Bei den Laubbäumen sind die Hierarchien von Stamm und Ästen
mit zunehmendem Wuchs aufgehoben. Äste können sowohl horizontal wachsen, als auch den
Aufschwung des Stammes übernehmen und selber zum Stamm werden. Stämme können sich
aufteilen und immer weiter verästeln. Fast übergangsslos verfeinern sich bei den
Laubbäumen die Äste. Oft beobachtet man an freistehenden Laubbäumen, dass sie in ihrer
ganzen Erscheinung den Wuchs ihres Blattes nachahmen oder umgekehrt. Das Zentrum und die
Spitze des Wachstums ist, je weiter man zur Krone des Laubbaumes kommt, nicht mehr
ersichtlich. Ein kleines Ästchen kann die Spitze, den höchsten Punkt des ganzen Baumes
bilden. Kreisförmige, sphärische Gestalt.
In den Bilder von CDF sind Laubbäume in drei thematischen
Zuständen auf.
1. Das Ineinanderragen der Kronen, durch welches die kahlen
Äste in der Form eines Geflechtes oder Zaunes sichtbar sind. In dieser Darstellung
erwecken sie den Eindruck von Zuneigung, Gemeinschaft, aber auch den eines
undurchdringlichen und unüberwindbaren Hindernisses. (Kirchhofseingang,1822, Hügel und
Bruchacker bei Dresden, 1824, Friedhof im Schnee, 1826)
2. als vereinzelte, greisenhafte Zeugen eines heroischen
Wachstums zumeist in der Gestalt von Eichen (Hünengrab im Schnee, 1807, Abtei im
Eichwald, Klosterfriedhof im Schnee, 1817, Einsamer Baum, 1822, Eichbaum im Schnee, 1829,
)
3. belaubt im Sommer als Dächer, als Schutzschirme der
Baumkronen (sowohl Kiefern als auch Laubbäume).
Das Gewucher der Bäume in den Ruinen löst die Formen der
Gebäudereste auf und erweckt den Eindruck, dass sich niemand um die alten Denkmäler
kümmert. Verlassensheit.
Als drittes Beispiel könnten wir zum Beispiel noch die
Latschenkiefer betrachten, die an steilen Abhängen in den Bergen wächst. Ihr Stamm
wächst dem Boden entlang. Die Äste, die aus ihm hervorgehen, wachsen ebenfalls dem
Abhang zu und sind elastisch, wie aus Gummi. Lastet Schnee auf ihnen, sind sie ganz zu
Boden gepresst. Lawinen brausen über sie hinweg, ohne ihnen Schaden zuzufügen. Ist der
Schnee getaut, dann federn die Äste vom Boden weg und die Spitzen der Aeste drehen sich
in die Vertikale. Übergänge zwischen Stamm und Ästen sind kaum auszumachen. Die Nadeln
aber stehen wie Borsten von den Ästen ab.
In der Auslegung der Werke von Caspar David Friedrich ist
mancherorts davon die Rede, dass gewisse Bäume, Christen darstellten, andere Bäume
Bürger, wieder andere Bäume den Künstler selbst mit seiner Familie. Es sind wohl
interessante Ausgangspunkte für eine Betrachtung des Baumes als Lebenssymbol, wie auch
Banalitäten, wenn man z.B. feststellt, dass die Weide auf seiten des jungen Paares am
Friedhofseingang die Trauer darstelle. Wenn es bei solchen eindeutigen Zuweisungen bleibt,
ist gerade dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass Friedrich die Eindeutigkeiten des
Symbolismus in seiner Naturbetrachtung aufhebt, die Natur vieldeutig, mehrdeutig macht und
den Menschen zur Frage heranführt: Was heisst denn Christ, Bürger, Trauer,
Vergänglichkeit, Ruine, Kloster, Mönch, Meer. Was ist das? In der Mehrdeutigkeit liegt
in Offenheit eine Frage vor uns, die nach dem Gespräch sucht, Begegnung begehrt, und
einen Weg der Erfahrung und des Erlebnisses möglich macht. Nicht aber um einfach Recht zu
haben. Das Eindeutige ist tot, verschlossen: Eine Lüge. Auch ist es nicht damit getan bei
jeder Frage immer auf anderes zu verweisen, auf die alten Meister und Philosphen, die
schon viel Gescheites über CDF gesagt haben. Wenn wir die Frage der Gegenwärtigkeit
dieses Stadtsohnes in seinen Werken ernst nehmen, dann müssen wir selber wieder eine
Antwort suchen. Wir könnten dann das viele Gescheite das schon gesagt wurde hineinnehmen
in unserer Gegenwart. Hier und Jetzt. Vielleicht tönen diese Antworten anders als
diejenigen früherer Zeiten. Nicht so gescheit. Sie sind vielleicht falsch, sie sind
vielleicht richtig. Es sind dann aber wenigstens unsere Antworten. Der Schmerz des
Ungewissen, des Scheiterns und der Vorläufigkeit des Antwortens ist dann aber immer schon
mitgegeben. Das Antworten beseitigt das Fragen nicht. Sie gehören in Ewigkeit zusammen.
Aber was ist denn nun schon wieder die Ewigkeit?
Der Baum ist männlich, ein Mann. Die Tanne ist aber
weiblich, eine Frau. Weshalb ist das so? Weshalb ist die abstrakte, alle Bäume umfassende
Idee des Baumes, männlich, eben "DER Baum" und weshalb sind die meisten
bestimmten Arten der Bäume weiblich: Die Birke, die Erle, die Eiche, die Tanne, die
Föhre, die Kiefer, die Linde. Dies sind nun Fragen die wir uns nur in der deutschen
Sprache, in unserer Sprache so stellen können, denn zum Beispiel im Amerikanischen gibt
es diese geschlechtspezifischen Eigenschaften der Dinge nicht, respektive, sie erscheinen
da nicht festgelegt. Oak kann eine Frau wie auch ein Mann sein. Tree ebenfalls. Dass im
angloamerikanischen Sprachraum denn auch oft die Prinzipien von Mann und Frau, männlich
und weiblich, durcheinander geraten, oder ausser Acht gelassen werden, liegt als Gefahr in
der angloamerikanischn Sprache, die dieses Prinzipielle offen lässt. Ich habe hier Gefahr
gesagt. Ich hätte auch Freiheit sagen können. Abendländisches Denken ist wesentlich
geprägt von der Unterscheidung zwischen männlich und weiblich, Verborgenem und
Materiellem, Geheimnis und Erscheinung und daher auch vom Heiligen, dem beide angehören,
der Aufhebung des Paradoxen, der Offenbarung, oder der Aura, wie das heute postpostmodern
heisst. Ich werde dann später noch auf dieses Modewort zurückkommen.
Wir wissen aber nicht, ob wir noch abendländisch empfinden.
Bestimmt hat es aber nichts damit zun tun, dass jeder Mann ein geistiges Wesen ist und
jede Frau ein materielles Wesen. Jeder Mann erscheint hier materiell, hat also als Mann
eine weibliche Erscheinung. Die Frau aber besitzt genauso wie jeder Mann auch, eine
verborgene Seite, birgt das Geheimnis ihres Daseins und Soseins. Der Baum steht demnach
für das Prinzip des Lebens, die Bäume aber für bestimmte Erscheinungsformen des Lebens.
Der Himmel, die Erde. Das sind alles Annahmen. Der Anspruch,
sie verstehen und begreifen zu wollen, auch der Anspruch Beweise für ihre allgemeine
Gültigkeit zu besitzen, kann nicht an der Äusserungen festgemacht werden. Geäussert
wird doch immer nur Inneres, wenn wir vom verbreiteten Sonderfall des Nachplapperns nun
einmal absehen. Verstanden und begriffen werden alle Äusserungen im Verborgenen. Wir
sagen dem auch "Empfindung". Empfindung kann aber auch die Empfindung sein, dass
etwas Böse ist und etwas Falsches geäussert wurde.
Der Berg. Die Sonne (ganz anderes Empfinden und Verhältnis
zur Sonne als in den lateinischen Sprachen. Italienisch, Spanisch, Französisch). Dass der
Mond als Männlich empfunden wird ist eine Bedeutsamkeit der deutschen Sprache. Ebenso,
dass die Sonne als weiblich betrachtet wird.
Seltsamerweise ist das dann wieder aufgelöst beim Der Tag
und Die Nacht. Ist das alles Zufall? Bestimmt könnte man aus dieser Möglichkeit
Geschichten zu erzählen über die Geheimnisse der Sprache auch ein knalliges esoterisches
Buch fabrizieren:. Es würde uns zu erklären versuchen, dass der Ursprung des deutschen
Antisemtismus in einem furchtbaren Fehler der deutschen Sprache bestünde, und in dem aus
diesem Fehler hervorgegangenen Denken und Handeln. Der Fehler liege darin, dass im Deutschen
Die Sonne weiblich ist und der Mond männlich. Dass also der Mond, der weitherum als das
Prinzip des Weiblichen betrachtet wird, (Menstruation, Ebbe und Flut, Zeitgeber des
Materiellen und Raum-zeitlichen,) im deutschen den Charakter des Sitzes einer
geheimnisvollen Verborgenheit besitzt, daher auch der Deutsche vom Gefühl und den
weiblichen Trieben beherrscht werde. Der Mond aber, als Metapher für die Reflexion (er
leuchtet selber nicht, sondern reflektiert nur das Licht der auf ihn fallenden Sonne,) sei
deshalb Schuld an der verstiegenen Vergeistlichung des deutschen Wesens und auch an der
Verdüsterung und der Schwermut seines Wesens, da er den Tag als durch ein bloss
äusserliches Licht beschienen in seinem Geiste misstrauisch erduldet, während in der
Nacht die Welt wegen der Schwäche der Reflexion immer in einem verschwommenen und all
ihrer Farbe beraubten Dämmerzustand versunken bleibe. Der Deutsche gehöre also zu den
dunklen, depressiven, introvertierten Mondanbetern, die ihre Existenz als Traum
haluzinieren, während die Hebräer und mit ihnen die Südländer und Franzosen zu den
extrovertierten, freien und glücklichen Verehrern der Sonne gehörten, die sich
hemmungslos und gedankenlos die Freuden des Lebens auf der Sonnenseite gönnen usw.... Das
Wesen des Deutschen als Beleuchtungsproblem im Geiste.
Das Englische ist grundsätzlich liberal, weil es die
Bindungen der Objekte an bestimmte Geschlechtspronomen nicht kennt. Oder anders herum
gesagt, dass im Englischen Sprachraum das Ding nicht auf ein prinzipielles Geschlecht
festgelegt ist. Das Ding ist dadurch befreit aus der Einordnung in die Rollen der
Kategorien Männlich, Weiblich, Sächlich. Diese Liberalität im Denken ermöglicht es,
das Ding anders wahrzunehmen. Dieses Anders beinhaltet zwei Pole: Liberalität kann sich
äussern als Beliebigkeit, als ein Handeln, durch welches sich jedes Ding nach dem Willen
dessen, der das Objekt gebraucht, zu richten hat. Das Objekt ist dann nicht mehr objektiv,
sondern dem Subjekt unterworfen, also Subjekt des Subjektes. Das ist Barbarei. Denn wenn
die Unterscheidung zwischen Verborgenem und Erscheiendem, Männlichem und weiblichem,
Heiligem und Profanem einfach weggelassen wird, dann ist alles nur Sache.
Liberalität kann sich aber auch äussern als eine
Verfeinerung und Kultivierung der Betrachtung eines Objektes, indem die Kategorien der
Geschlechtlichkeit mitgedacht werden, und das Objekt als etwas in sich differnziertes
erfahrbar wird.
Die Symmetrie ist bei CDF zuweilen geradezu brutal, sodass
der Eindruck einer architektonischen Gestaltung der Landschaft entsteht und das Bild als
ein peinliches Konstrukt erscheint. Heute würden wir sagen, diese Darstellung sei das
Gegenteil von natürlich. (Kreuz im Gebirge, um 1812, Gebirgslandschaft mit Regenbogen,
Gartenterasse 1811, aber auch Chasseur im Walde, Zwei Männer am Meer bei Mondaufgang,
1817, Stadt bei Mondaufgang (1817)) Auffallend ist, dass symmetrische Objekte oft auch mit
der Symmetriachse des Bildraumes zusammengeführt werden. Selbst bei einem Bild wie
Kreidefelsen auf Rügen ist die symmetrische Strenge frappant. Die Ränder des Abgrundes
sind an den Bildrändern heraufgezogen, beidseitig glänzen die weissen Kreidefelsen und
in Bildmitte öffnet sich der Abgrund zum Meer. Die Natur gerät in ein kompositorisches
Kalkül. Schliesslich aber auch der Mensch (Frau vor der untergehenden Sonne 1818)
Die Eiche: Beschwörung heidnischer Urenergien. Ossian.
Minderwertigkeitsgefühl des deutschen Volkes gegenüber der rasanten französischen
Expansion. Trotz gegen das Aufklärerische. Der Trutz und Trotz und die Sturheit.
Gegenüber dem christlichen Motiv der Tanne steht der
heidnische Baum der Eiche. Nie erscheinen Eichen und Tannen gemeinsam in einem Bild von
CDF. In der romantischen Seele aber kreuzen sich die vertikale christliche
Erlösungssehnsucht und die horizontale germanische Naturmystik. Wenn wir uns hier fragen
würden, was wir denn nun mit dieser germanischen Naturmystik eigentlich meinen, müssten
wir sagen, sie sei nur eine Form der Selbstdarstellung eines nationalistischen, deutschen
Bürgertums. Wir könnten also die Eiche einmal weg von den Belehnungen aus ossianischem
Mythologiekitsch auch einfach als das idealisierte Selbstverständnis des deutschen
Bürgers sehen.
Die Frage, "Weshalb gerade die Eiche?" ist
vielerorts besungen worden, wegen ihrer Zähigkeit, beherrschenden Grösse, der Härte und
Unbeugsamkeit ihres Holzes. Sie steht aber auch für die Eigenheit des Germanischen und
des Urdeutschen schlechthin, wobei zu Zeiten der Romantik gerade unklar war, was denn nun
das Germanische eigentlich sei, besass es doch kaum mehr eine gelebte Kultur, sondern eben
nur noch moosüberwachsene Hünengräber, deren Geschichten dem Bewusstsein nicht mehr,
umsomehr aber einer fast beliebigen Phantasie zugänglich waren.
Die Eiche steht in einem Konkurrenzkampf gegen die Tanne,
denkt man nur an das Bild des missionierenden Mönches, der vor den Augen der Germanen
eine dieser heilige Eiche fällt, um die Kraft seiner neuen Religion zu demonstrieren.
Naturmystik. Die Mischung zwischen Christentum und heidnisch-bürgerlichem Boden, auf
welchem sie sich bewegt, ist dramatischer kaum darstellbar als in der Abtei im Eichwald.
Die Szernerie ist ein Schlachtfeld. Ruinen des Klosters stehen Ruinen von Eichen
gegenüber. Ein innerer Kampf zwischen den Idealen einer christlichen Gemeinschaft im
Zeichen des Antihelden Christus und der bürgerlich-germanischen Heldenverehrung im Bilde
der knorrigen Eichen, die die Ruine des Klosters an Höhe zumeist deutlich überragen.
Beides aber im Zustand der Leblosigkeit, des Frostes, der Erstarrung. Die Mönche aber
nicht in feierlicher Haltung sondern im Gestus von Totengräber oder Flüchtlingen. Alle
Lebenssäfte sind aus der Szenerie entwichen. Düstere Erinnerungen an die Unterwerfung
der Germanen unter den christlichen Glauben, scheinen hochzukommen. Der Kampf zwischen den
Lichtern, Sonne und Mond hat beide ausgelöscht. Zurück bleibt eine fahle Dämmerung.
Auch das Bild "Klosterfriedhof im Schnee" setzt die Szene auf eine Art Bühne.
Der Grund zeigt keine Erhebung sondern nur trostlose unendliche Flachheit. Mehr noch als
in einer Landschaft scheinen diese Szenen sich in der Stummheit des Wassers abzuspielen.
Eichen und Ruinen liegen wie Teile eines Schiffswracks auf dem Meeresgrund.
Ganz anders wird der Junotempel in Agrigent dargestellt. Auch
als Ruine steht er frei und erhaben auf einer Anhöhe. Er scheint intakt, ja unbestritten
dazustehen. Nichts droht, seinen Platz einzunehmen. Der Ort an dem er steht ist
unstrittig. Zerfallen, aber nicht überwuchert. Die Säulen stehen noch. Dieser Junotempel
ist noch wirklich.
Wir sagten zuvor, dass in keinem Bilde CDF s die Eiche und
die Tanne gemeinsam vorkämen. Sie kommen aber trotzdem gemeinsam vor, allerdings nicht
als lebendige Bäume, sondern in Form des Holzes für die Schiffe, die ein weiteres
Leitthema in den Werken CDFs bilden. Das Schiff besteht aus einem Mast aus Tannenholz und
aus dem Rumpf aus Eichenplanken. Durch Menschenhand sind die Eiche und Tanne zu einem
Schiff zusammengefügt, dem Symbol der Gemeinschaft, die an der Grenze zwischen Zeitlichem
und Ewigem, zwischen Wasser und Himmel unterwegs ist. Im Bild "auf dem
Segler,1818/19) kommt diese Metapher eindrücklich zur Geltung. Mann und Frau sind
gemeinsam im Schiff der Ehegemeinschaft unterwegs und erblicken in der Ferne, am Ende der
Zeit eine paradiesische Stadtsilhouette. Gemeinschaft heisst unterwegs zu sein. Der
Tannenmast sammelt die Kräfte des Windes, der Bewegtheit des Himmels und bringt das
schwere Gefährt aus Eichenplanken in Fahrt. Wiederum bildet hier die Eiche also das
Fundament, den Körper und das Haus der Gemeinschaft, während die Tanne in den Himmel
ragt und die geistigen Kräfte in den Segeln sammelt.
Die Betrachtung des Schiffes als Gefäss der Gemeinschaft ist
ein christliches, sowohl neutestamentliches als aus alttestamentliches Bild. Im Neuen
Testament findet es seinen Ausdruck im Bild des Fischzugs auf dem See Genezareth. Die
Gemeinschaft der Jünger mit Jesus im Schiff gehen auf Fischfang. Menschenfischer zu sein
bedeutet, den Menschen, der stumm und verloren im Zeitlichen des Wassers schwimmt
(dargestellt im Bild des Fisches) in die Gemeinschaft zu heben, die im Schutz des Schiffes
über das Zeitliche hinweggleitet. In der Sprache ist bemerkenswert dass Schiff
rückwärts gelesen Fisch heisst. Darin könnte zum Ausdruck kommen dass der Mensch von
zwei Seiten her betrachtet werden kann. Aus der Sicht seines Alleinseins, seiner
Individualität: als Fisch; oder vom Standpunkt der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft:
als Schiff.
Im alten Testament ist der Begriff des Schiffes mit dem
Begriff des Ich sprachlich eng verbunden. Nun ist auch die Tragik der Klosterruinen und
Eichenwälder wieder greifbarer. Es ist die Tragik des im Sturm oder im Feuer eines
inneren Konfliktes (Brennendes Haus und gotische Kirche) untergegangenen oder in den
Eisschollen zerdrückten Schiffes einer Gemeinschaft von germanischem (bürgerlichem)
Körper und christlichem Geist.
Kirchenschiff
Der Berg
Die Tannen gehören dazu. Sie stehen selber mit
ausgebreiteten Armen da als wollten sie die Bergpredigt halten. Die Schwangerschaft.
Der Nebel
Der Abgrund
Die Rückenfigur
Zu Recht ist erkannt worden, dass die Romantik weder eine
eigene Architektur besitzt noch eine eigene Skulptur entwickeln konnte. Ihre Identität
bezog sie aus der Sprache und aus der Musik. Romantik ist ganz und gar unpraktisch. Sie
ist im Kerne empfänglich-passiv und aus der Distanz abwartend. Die Seelenlandschaften der
Romantik liessen sich nicht materiell festhalten. Dazu war die Romantik zu sehr
ungefasster Inhalt, der sich nach einer Fassung sehnte und nach einer Form suchte.
Zunächst aber war sie einfach Schilderung eines seelischen Zustandes des Schmerzes, des
Verlorenseins, der undurchschaubaren Macht des Gefühls und des Verlustes einer fest
gefügten Gemeinschaft.
"Das höchste Verhältnis der Kunst zur Natur ist
dadurch erreicht, dass sie diese zum Medium macht, die Seele in ihr zu
versichtbaren." Schelling.
Natur galt dem Romantiker als Spiegel seiner Innenwelt und
als Mittel zu geistiger Reflexion. Deshalb rückte der Romantiker den Mittelpunkt seiner
Welt von der scheinbaren Tagesklarheit und Besonnenheit aufklärerischer Euphorie weg in
die Verborgenheit, das Ungewisse des nächtlichen Nebels und in die Blauheit des
Mondschein. Anstelle von vordergründigen, beredten, figurativen Szenen liess sie
demonstrativ in distanzierten, fernen, Landschaften ein bedeutungsvolles Schweigen zu
Worte kommen. Gegenüber der Gesellschaft besass die Romantik revolutionären Charakter,
weil sie die Utopie einer Alternative zum Vorgegebenen hochhielt. Selbst wenn diese Utopie
der vernünftigen Aufklärung gegenüberstand als unbegreifbare Verklärung und dabei erst
noch als reaktionär empfunden wurde, da sie ihre Sehnsucht nach dem Neuen mit den
Chiffern der Vergangenheit, oder besser mit Chiffern der Vergänglichkeit bebilderte.
Die Romantik ist im Kerne die bürgerliche Utopie einer
verlorenen Gemeinschaft im Glauben. In einer revolutionären Bewegung ist sie der erste
Impuls, der den Bruch mit der Realität erlebt, den Bruch offen lässt, ja noch weiter
Distanz zur Realität schafft, durch welche schliesslich diese Realität kritisierbar
wird. Durch diese Kritik wird aber die Romantik selber widerlegt, da ihre Idealbilder mit
dem bürgerlichen Habitus im Verlauf der Kritik als immer unvereinbarer erschienen. Diese
Enttäuschung ist aber dem Romantiker schon als Gewissheit mitgegeben. Die Ahnung der
Unmöglichkeit seines Lebens liegt ihm nahe; aber ebensosehr die letztlich unwiderlegbare
Hoffnung, es könne dennoch gelingen. Dass der Romantiker diesen Schmerz zur Sprache
bringt, ins Bild setzt, und erklingen lässt, damit bewegt er die Herzen. Es ist eine
Wahrhaftigkeit, die auf eine Lächerlichkeit des Menschen weist, die Stelle seiner
Schwäche und Verwundbarkeit offenlegt. Radikal. Man täuscht sich in der Meinung, der
Romantiker sei ein aus dem Unbewussten schöpfender schwelgender und antiintellektueller
gefühlsduseliger Typ. Die Romantik ist gerade die Kunstepoche, da zum ersten mal der
Künstler beginnt selbstkritisch über die Bedingungen seines künstlerischen Schaffens zu
reflektieren über seine Rolle in der Gesellschaft, über seine sozialen Aufgaben und
über Wirklichkeit und Wirkung seiner Werke. Schliesslich soll auch gesagt sein, dass ein
Verhältnis, wie dasjenige zwischen einer traditionalistischen, konservativen,
bürgerlicher Grundhaltung und einer christlichen Geisteshaltung sich nicht einfach
überwinden lässt durch die Auslöschung eines der beiden Pole, sondern immer nur so,
dass ihr Verhältnis neu gesetzt wird. Eine Problematik im Verhältnis zwischen Körper
und Geist, die von der Seele registriert wird, oder sich als Krankheit äussert, kann
weder durch die Auslöschung des Geistes noch durch die Auslöschung des Körpers gelöst
werden. Im Allgemeinen heisst es, die Todessehnsucht, die in vielen Werken der Romantik zu
Tage trete, sei Ausdruck der Entfremdung der menschlichen Seele in einem überkommenen
Verhältnis zwischen Körper und Geist. Vielmehr als Todessehnsucht sind aber die Werke
der Romantik die schlichte Feststellung, dass dieses Verhältnis gestorben ist, und dass
die Seele darauf wartet, dass es gerichtet aufersteht.
Einer, der über dieses Verhältnis sein Leben lang im
Schmerz der Offenhaltung einer zu tiefst romantischen Wunde nachgedacht hat ist Soren
Kierkegaard.
Der Kunstbegriff der Romantik: Empfänglichkeit. Das Neue,
das empfangen wurde ist aber noch verborgen. Es kann von der Subjektivität dessen, der
dieses Neue trägt nicht verstanden werden. Es kann aber als eigener Besitz missgedeutet
werden, respektive mit schon Daseiendem oder Vergangenem bemessen. Es ist aber etwas
völlig neues und eigenständiges, so eigenständig dass es auch den bisherigen Lebensweg
seines Trägers radikal in Frage stellt.
Dieses Neue ist gefährdet, denn es hat noch keine Sprache
und könnte von seinem Träger zur Erfüllung seiner eigenen Zwecke und Vorstellungen
missbraucht werden. Damit bliebe dieses Neue nur als leere äussere Hülle bestehen, nur
als Abzeichen des Neuen, das sein wirkliches Inneres nicht in die Welt entfalten kann.
Schon vor der Geburt würde es von seinen Vätern in den Dienst genommen. Die
Empfänglichkeit beinhaltet aber auch die Möglichkeit der Hingabe an das Neue, womit sich
der Träger verwandeln könnte. Diese Schwangerschaft im Geiste ist aufwühlend, weil sie
nicht fassbar und nicht begreifbar ist. Der Charakter des Neuen liegt noch vollkommen im
Dunkeln. Die Romantik berichtet eigentlich von einem mütterlichen, weiblichen Erlebnis,
der Schwangerschaft, aber in der Dimension des Geistes.
Zu Beginn der Romantik steht die Feststellung dass zwischen
der äusseren Welt, den Traditionen und existentiellen Gegebenheiten und den Geistewerten
die man in sich trägt, ein Bruch aufgetreten ist. Dieser Bruch ist vielleicht in der
äussern Welt noch nicht einmal sichtbar. Vielleicht widersprechen alle und widerspricht
alles diesem Bruch. Aber er wird empfunden. Der Romantiker ist grundsätzlich allein in
seiner Empfindung. Aber er vertraut ihr. Und es drängt ihn danach seine Empfindung
mitzuteilen.
Zuerst erscheint dieser Bruch vielleicht als Schmerz im
Verhältnis zwischen mir und meiner äusseren Realität, dann aber noch tiefer, im
Menschen drin, als der Schmerz zwischen der eigenen existenzielen Grundlage und seiner
Geisteshaltung.
Der Romantiker hofft, dass sich etwas ändert, er glaubt
daran, dass sich etwas ändern kann.
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