Die Romantik bebildert
im Menschen eine Wandlung, die mit Schmerz verbunden ist. Sie markiert den schmerzhaften
Übergang vom Schöpfer zum Geschöpf. Das Selbstbewusstsein der schöpferischen Kraft
schwindet und es stellt sich ein Gefühl des Ausgeliefertseins gegenüber einem Schöpfer
ein. Der Schmerz dieser Wandlung führt zunächst zur Anklage. Dem Schöpfer gegenüber
erhebt sich anklagend die Not und der Schmerz des Daseins in einer sinnlosen
Vergänglichkeit des Materiellen. Der Mensch empfindet sich als Geschöpf eines
unergründlichen Schöpfers. Er ist aber in dieser Stimmung nicht alleine. Die Natur teilt
sie mit ihm. Dadurch entsteht eine Solidarität mit dem Natürlichen, den Geschöpfen des
Schöpfers. Der Mensch macht sich zum Anwalt einer duldsamen und schweigend hingegebenen
Natur. Die Romantik ist Ausdruck des Abschiedsschmerzes vom Weltbild einer schöpferischen
Identität des Menschen und hält deshalb dem vermeintlich Konstruktiven des Schöpfers
nun seine destruktive Seite vor: Das sprachlose, passive Leid des Geschöpfes, seine
gnadenlose Vergänglichkeit, seinen Untergang und die Untröstlichkeit des Menschen in
seinem Verfall. Die Nutzlosigkeit des Individuums. Biografisch
ist die Romantik im Leben des Menschen im Übergang von Phasen des aktiven, bestimmenden
Handelns zu passiv erduldetem Geschehen zu finden. Im Alltag ist es die Phase zwischen
Tageswerk und Nachtruhe. In den Lebensaltern ist die Romantik die Zeit der Wandlung des
Menschen zwischen Arbeit und Pensionierung. Oder zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit.
Politisch zwischen bestimmender Teilnahme und Verlust der Stimme. Im Nationalen Geschehen
zwischen Selbstbestimmung und Knechtschaft unter fremden Herren. Immer aber in Richtung
eines Verlustes.
Deshalb rührt sich nirgends mehr als in den romantischen Phasen der
Widerstand der Revolution, die nun etwas ganz anderes will, als die leicht vorauszuahnende
Versenkung in die Belanglosigkeit und in den schon mit Wracks gesunkener Hoffnungen
überfüllten Wartsaal der Geschichte.
Romantik ist die Dämmerung des Abends. Schlaflose Nacht. Der Mond
steht für die sentimentale Erinnerung an das Licht der Sonne, das er nur empfängt, nicht
ist. Er reflektiert noch das Licht des Schöpfers. Ist aber selber dunkel, bedürftig nach
dem Licht. Romantik meint: Solidarität mit dem Mond, dem Empfänglichen, Schwachen, der
Kreatur, die nur glänzen kann von Gnaden des Lichtes, das auf sie fällt.
Musse und Kreativität.
Doch nun öffnet sich ein seltsamer Wandel der Stimmung. Denn einzig
in dieser Phase , die ich die romantische nennen möchte, könnte plötzlich, wenn sich
der Mensch in sie hingibt, aufscheinen, dass er erstmals angesprochen wird vom Schöpfer,
angeleuchtet eben.
Stören kann nur der Wille zum Schöpferischen, der Ersatz des
unmittelbar schöpferischen ruhenden Daseins durch eine Struktur willentlich geleisteten
Schöpfertums, der Kreativität. Das ist die andere Seite der Romantik, diejenige, die die
Depression des verbissenenen Geltunsgwillens abgestreift hat. Das Glück des
Beschenktseins als Kreatur. Das Glück der Vergänglichkeit. Der Trost der Natur. Und eine
nur kurz aufblitzende Einsicht in ein Gefüge des Daseins, das den Verlust der
Kreativität nicht nur tröstet, sondern diese gar neu weckt. Der anstossende Funke zu
neuem, verwandeltem Handeln schlägt. Die Erscheinung des Lichts der Schöpfung Gottes
empfängt, wie der Mond und damit gar in die Nacht ein Licht bringt, was die Sonne nicht
vermöchte. Gott ist schwach, er erreicht die Nacht nicht mit seinem Licht. Er bedarf des
Menschen, der sein Licht empfängt und gleich einem Mond in die Nacht leuchten lässt,
sein Licht solange in die Nacht hinein trägt, bis es wieder Morgen wird.
Die Romantik erzählt Geschichten von den dunklen, ungewissen
Übergängen zwischen Tag und Tag. Sie erzählen von dem kleinen Streifen Brachland an der
Grenze zwischen den Nationen. Nie ist es das bebaute Land, das die Romantiker
beschäftigt, nicht das Pathos des schaffenden Bauern. Die urtümliche, sich selbst
überlassene Natur ist ihr Thema. Denn darin erkennt sich der Romantiker als der, der sich
in der Nacht, im Winter, im ungewissen Übergang zum Neuen hin, selbst überlassen ist.
Von der Dämmerung zwischen den Hoheitsgebieten von Tag und Nacht handeln die Geschichten
der Romantik. Vom Leben auf dem Todesstreifen erzählt sie Geschichten. Vom leeren Raum
zwischen Buchstaben, Worten, Sätzen. Vom Abgrund, dem unüberwindbar scheinenden Bruch
zwischen den sich Liebenden. Von der Haut, die Innen und Aussen sowohl trennt als auch
schützt. Sie erzählt Geschichten von blauen Blumen, da doch in der Nacht alle Blumen
blau sind, und dadurch das Gemeinsame der Blumen hervortritt, das Abstrakte, das im
Verborgenen Zusammenhang stiftet. Es sind abstrakte Geschichten, die in der Romantik
erzählt werden. Märchen also, weggezogen aus Zeit und Raum, und deshalb immer und
überall gültig. Sie trösten die Angst vor dem Übergang in die Nacht, vor der Angst,
müde und schwach und passiv zu sein. Die Romantik schafft keine Identität. Sie empfängt
diese aber.