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Die Suche des
einzelnen Menschen nach seiner Identität ist bedroht durch seine Wunschvorstellungen von
Identität. Diese Absichten - das Wollen einer vom Menschen sich selbst bestimmten
Identität - sind in schmerzhaften Phasen der Identitätsssuche eine Art von
Schmerzmittel. Die Vorstellung besitzt Eigenschaften eines Betäubungsmittels für die
Sinne, die doch eigentlich der Wirklichkeit und der Wahrheit begegnen möchten. Die Sinne
sind schon so geschärft, dass sie wahrhaft erkennen. Das Bewusstsein kann das Geschaute
aber noch nicht annehmen. Es weigert sich. Es leidet unter der Enttäuschung eigener
Vorstellung. Das Bewusstsein kann sich aber gegen die bessere Einsicht der Erkenntnis nur
wehren, indem es sich taub stellt, betäubt. Schliesslich kann es sich mit einem
allgemeinen Vorstellung von Identität verbünden und drängt dann zu Gruppen und
Verbänden, die eine allgemeine Identität postulieren, und diese gemeinsam gegen die
Erkenntnis der Wirklichkeit, die sie grundsätzlich bestreitet, ins Feld führt. Diese Vorgänge spielen sich in aller Schärfe in der Pubertät ab, im
Übergang vom Weltbild der Kindheit und Jugend, die noch weitgehend in einem Raum lebt, in
dem alle Möglichkeiten offen stehen, weil sie noch nicht mit Entschiedenheit im Einzelnen
ergriffen wurden, und in welchem der Gang der Zeit noch kaum Attribute des Vergänglichen
und des Untergangs besitzt, oder wenn, dann als vorübergehende Störungen der Einlösung
eines grossartigen Versprechens: "Ich bin frei. Alles ist möglich". Doch mit
zunehmenden Alter verstärken sich die Widersprüche. Und es scheint gar, dass dieses
Versprechen als Lüge erscheint. Dass der Mensch nicht nur bestimmt, sondern wesentlich
bestimmt ist, ist dann oft ein Ärgernis. Denn diese Bestimmtheit scheint die Freiheit des
Menschen einzuschränken.
Die Jugend ist ganz nahe zur Romantik. Deshalb ist die Romantik auch
die eigentlich erste grosse Jugendkultur. Sie ist vergleichbar mit der Bewegung der 68-er,
deren Schicksal der Kurzlebigkeit ihrer Ideale sie teilt, nämlich, in kürzester Zeit
ihre tief empfundenen Anfänge in einem modischen, politisch und gesellschaftlich
opportunen Gehabe des Zweckmässigen zu versenken.
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