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| x | Das Gesicht von Zürich | |||
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       Begleitheft zum dritten der Zürcher "Wege zur Heimat" 1998 
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       Inhalt  | 
    
      1.  Das Profil  > 2. Die Fläche des Gesichts > 3. Der Mund > 4. Die Brücke > 5. Die Nase > 6. Das Wetter > 7. Die Menschen > Das achte Bild 
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Das Profil  | 
    
      Das
    Lebendige der Heimat ist zusammengefasst in der vertrauten Linie des Horizontes, in den
    Konturen der Berge, von denen die Bäche und Flüsse dem Zürichsee zuströmen, an dessen
    Ausmündung in die Limmat wir weilen. Wir erleben, wie die Wolken an den Erhebungen der
    Berge sich ihrer Last des Wassers entledigen und damit den Durst der Welt nach
    Zeitlichkeit löschen.  Der Bankmakler schaut aus seinem Büro am Mythenquai erstaunt auf diese Signatur des Gebirges hinter der glatten Fläche des Zürichsees. Sie erinnert ihn ferne an das Auf und Ab der Börsenkurse. Vielleicht schaut er manchmal ängstlich zu dieser Börsenkurve der Heimat hin. Erheben sich die Berge nicht, um wieder zu fallen? Wenngleich: leben wir nicht auch vom Gefälle? Der Arzt sieht in der Horizontlinie sein Kardiogramm; der Lastwagenchauffeur das Diagramm seines Fahrtenschreibers, und der Poet schaut im Verlauf der Grenzlinie zwischen Erde und Himmel die Silhouette eines geliebten Gesichtes. Es ist, als habe die Heimat mit den Profilzügen der Berge und Täler, Wälder, Häuser und Türme ihre ewige Unterschrift um uns gezogen. Jede Sicht des Menschen sucht den Horizont, sucht die lebendige Linie zwischen Erde und Himmel, zwischen Diesseits und Jenseits, Ich und Du, Mensch und Welt, Haupt und Körper. Dass da eine Trennung ist, ist offensichtlich. Es gibt sie in jedem Menschen, in jeder Ebene: In der Ebene des Körpers zwischen Eigenem und Fremdem als Grenze der Haut; in der Ebene des Denkens zwischen Verständlichem und Unbegreiflichem als Grenze des Staunens; und im Glauben schliesslich als Spaltung von Gewissheit und Furcht in der Grenze der Hoffnung. Der Horizont markiert eine ursprungshafte Entschiedenheit. Auf unseren vergangenen Wegen zur Heimat fanden wir diese Entschiedenheit ausgedrückt im Bild der Stadtheiligen, deren Häupter vom Körper zwar getrennt sind, deren Körper aber das Haupt zu sich nehmen. Mit derselben Entschiedenheit steht der letzte Buchstabe des Alphabetes am Anfang des Namens Zürich. Das Z markiert die Grenze zwischen dem Sagbaren und dem Schweigen. 
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       Die Fläche des Gesichts  | 
    
      
       Den grösstmöglichen
    Kontrast zum bewegten Profil des Horizontes bildet die ruhende Fläche des Zürichsees.
    Der Gegensatz zwischen Berg und See ist Konkurrenz und Streit in Liebe. Es scheint, als
    möchten die Berge mit ihrer Dramatik einzig die Ruhe des Sees zur Geltung bringen; und
    als wolle der See mit seinem glatten Spiegel einzig die Dramatik der Berge erhöhen.
    Zugewandt sind sich Berg und See. Die Fülle der Wolken entlädt sich am Horizont und
    schenkt der Erde Zeit. Die Unrast der Zeit jedoch - durch das Hinterland herabeilend wie
    ein Sturzbach - durchpflügt zuweilen die Erde, reisst sie auf und zerwühlt sie. Doch die
    vom Geschiebe getrübten stürmischen Wasser kommen allmählich im Stau des Sees zur Ruhe
    und klären sich. So bringt der Zürichsee eine Abgeklärtheit, Ruhe und Gelassenheit ins
    Gesicht von Zürich. Ja, der See schenkt und behütet in dieser Stadt ein Idyll von
    Entspanntheit, Bedächtigkeit und Entrücktheit. Die Zeit scheint hier still zu stehen.   | 
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       Der Mund  | 
    
       Zürich ist ein Pförtner
    am Ort, wo der See ausmündet in die Limmat. Das ruhende Wasser kommt in Bewegung. Früher
    hiess die Limmat einfach Aa, was soviel wie Fluss bedeutet. Daher steht das A im Alphabet
    an erster Stelle¸ als erster Laut der Sprache, erster Impuls, erster Atemzug, der zum
    Fliessen und Strömen der Zeit anstösst, als Ton des ersten Lebenshauches. Die Limmat
    wird als Aa ausgesprochen, aus dem Munde geäussert, zwischen den Lippen der beiden
    Stadthälften hindurch, ausfliessend und gebärend. Das in sich ruhende, träge
    Spiegelbild der Ewigkeit - die glatte Oberfläche des Sees, die den Himmel reflektiert -
    kommt so in Zürich zur Sprache und in Bewegung. 
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       Die Brücke  | 
    
      
       Zürich ist eine
    Brückenstadt. Gäbe es hier keine Brücken, würden wir schmerzvoll merken, was es
    hiesse, auf einer Seite des Flusses, einseitig, zu leben und vom anderen Ufer, dem
    Nächsten, getrennt zu sein, dazu verurteilt, nur von ihm zu träumen.   | 
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       Die Nase  | 
    
      
       In Zürich zeigen
    Kirchtürme zum Himmel. Das ist noch eine Skyline, Linie der Verbindung mit dem Himmel. In
    der Gründungslegende der Fraumünsterkirche wird gesagt, dass am Ort für den Kirchbau
    ein grünes Seil vom Himmel hing. Solche Seile sind die Türme, und in den Türmen sind es
    wiederum die Seilzüge der Glocken, die im Himmel läuten, aber in den Gassen zu hören
    sind. Glocken der Heimat. Wie die Kühe mit dem Klang ihrer Glocken von ihrem Glück
    erzählen, dass sie zum Menschen gehören, zum Menschen, der die ganze Herde, aber auch
    jedes einzelne Tier pflegt und hegt und schützt, so lassen die Menschen die Glocken vom
    Kirchturm erklingen: Sie erzählen damit von ihrem Glück, dass sie zu Gott gehören, der
    alle Menschen, aber auch jeden einzelnen Menschen pflegt und hegt und schützt. Die
    Kirchglocken rufen den Menschen zur Sammlung, nicht nur in Freude, auch wenn es brennt in
    der Welt.   | 
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 Der Regen  | 
    
      
       Das Wetter hinterlässt
    Spuren im Gesicht. Im Gesicht des Menschen, aber auch im Gesicht der Heimat. Das Wetter
    steht in feiner Verbindung mit allem, was unter ihm geschieht. Es äussert sich darin, wie
    die Häuser gebaut, wie die Vorräte gelagert, die Kleider beschaffen sind. Das Wetter
    schenkt der Heimat eine einzigartige Stimmung. Erst im Gesicht des Menschen wird diese
    Stimmung aber deutlich. Von weit her spricht uns das Wetter an. Der Wind trägt uns Wolken
    zu, die vom Süden, Norden, Osten, Westen kommen; vom Süden als Föhn, vom Norden als
    Bise; vom Westen als Wolkenschwamm des Meeres, vom Osten als die Trockenheit des
    Hinterlandes. Zürich ist Weltstadt wegen dieser Winde.   | 
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       Die Menschen  | 
    
       Die Heimat ist Heimat wegen
    der Menschen, die in ihr anwesend sind. Es gibt Heimat nicht als Fläche auf einer
    Landkarte, nicht als System der Verwaltung, nicht als Form des Regierens, nicht als Fahne
    und Wappen, nicht als Sammlung symbolischer Idole. Heimat geht vom lebendigen Menschen
    aus. Die Demokratie bringt zum Ausdruck, dass sich die Autorität der Führung in der
    Gemeinschaft der lebendigen Menschen verborgen hält. Das Volk ist das Gesicht, hinter
    welchem sich das Geheimnis seiner Lebensführung versteckt hält. Das Gesicht des Volkes
    bringt aber gerade dieses Geheimnis zu seinem deutlichsten und gültigsten Ausdruck. Das
    Gesicht offenbart Heimat.  In Zürich stehen zwei Bäume, zwischen denen eine Hängematte gespannt ist; darin dürfen wir auch einmal nur sein, nichts tun und Ruhe finden 
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      Das achte Bild  | 
    
      Im Gesicht des
    Menschen hat Heimat ihr gültiges und klares Antlitz. Es verbindet das Profil, die Linie
    der Entwicklung, mit der ruhenden Fläche des Gesichts. Die zeitliche Entwicklung der
    Heimat ragt gleichsam aus ihrer ewigen Ruhe heraus. Das Gesicht schliesst den Bund
    zwischen Profil und Fläche. Im Gesicht ist alles Bund: Der Mund, das Zusammensein der
    Lippen öffnet sich zum ersten Lebenshauch, zum Fluss der Aa, zum Gespräch, zur Geburt.
    Das Zusammensein der Augen öffnet dem Menschen den Blick in Raum und Tiefe dieser Welt.
    Im Zusammensein von Einatmen und Ausatmen, im Schutz der Nase, verbindet sich der Mensch
    mit dem himmlischen Duft.  Die Stimmung im Gesicht des geliebten Menschen ist familiär. 
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| Wege
      zur Heimat
       Essay von Thomas Primas  | 
    
     Das Wagnis zur Heimat 
 
 
 
 
 
 
 
 
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       Copyright: Steintisch Verlag Zürich 1998  | 
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